Die Frage, wo sich denn der Start für das Schlittenhunderennen befinde, kann man sich eigentlich sparen. Denn schon vom Parkplatz ist aufgeregtes Geheul zu hören und so vertraut man einfach seinen Ohren und folgt dem vielstimmigen Gesang der Schlittenhunde. Und schon ist man mittendrin im Stake-Out.
Ein Besuch hier lohnt sich definitiv, denn hier kann man einen interessanten Blick hinter die Kulissen werfen. Stake-Out, so nennt sich das Fahrerlager der Teilnehmer, der Musher mit ihren vierbeinigen Athleten. Das Stake-Out an sich ist eine am Boden fixierte Leine - eine Art Parkplatz für die Hunde. Hier warten sie nach dem Dösen in den Boxen und einer kleinen Gassirunde auf ihren Einsatz. Kaum reckt einer der Hunde seine Schnauze in den Himmel und stimmt ein Geheul an, fallen alle anwesenden Hunde in diesen Gesang mit ein. Inmitten der Hunde stehen die Musher, die Piloten der Hundeschlitten und Skijöring-Partner. Sie strahlen Ruhe aus und routiniert bereiten sie die Teams auf den Start vor.
Hier werden die Hunde noch einzeln an der Leine eine Runde um das Fahrerlager geführt, dort wird noch warme Suppe serviert. Warme Suppe? Damit die Hunde vor dem Start gut hydriert sind und unterwegs keinen Schnee fressen, gibt es mit genügend Abstand zum Renneinsatz etwas Fleischbrühe. Ein anderes Team legt einem der Hunde Booties an – kleine Spezial-Socken, die die Pfoten vor scharfkantigen Schneekristallen schützen. Die Hunde – Alaskan und Siberian Huskies, Malamuten, Samojeden, Hounds (Europäische Schlittenhunde) und Grönlandhunde – gehen ganz unterschiedlich mit dem Rennfieber um. Die einen liegen noch gemütlich in der Sonne während die anderen schon die Rennatmosphäre spüren und mit gespitzten Ohren unruhig am Stake-Out tänzeln.
Schlagartig kommt Aufregung ins pelzige Chaos und das Geheul steigt um einige Dezibel, als der Musher den Schlitten, ein topmodernes Renngerät aus Carbon, in Position schiebt und die Zugleinen auslegt. Der Doghandler – ein Helfer, meist aus dem eigenen Team – hilft jetzt beim Einspannen der Hunde. Der Musher selbst steht auf den Kufen des Schlittens und drückt den Schnee-Anker fest in den Boden, um nicht gleich von den motivierten Vierbeinern mitgezogen zu werden. Jeder Hund hat seine fixe Position. Vorne die cleveren Leader, die jedes Kommando ihres Mushers souverän umsetzen und das Gespann anführen. Dahinter je nach Größe des Gespanns noch weitere Zweierteams aus zugstarken und zuverlässigen Hunden. Kaum sind alle Hunde eingespannt, geht es auch schon angeführt von den Doghandlern durchs Stake-Out direkt zur Startlinie. Erneut wird der Schneeanker gesetzt, die Bremsmatte und Krallenbremse in den Boden getreten und die Doghandler haben hier alle Hände voll zu tun, den Laufwillen der Schlittenhunde noch bis zum Countdown einzubremsen. 3… der Schneeanker wird gelichtet, 2… die Doghandler treten zur Seite, 1… Füße von der Bremsmatte und mit einem unglaublichen Schub starten die Hunde nach vorne. Augenblicklich verstummt das Geheul und jeder der Hunde weiß, was nun zu tun ist: Laufen! Und das tun sie mit Leidenschaft. Zur Begeisterung der vielen Zuschauer und Fotografen entlang der abwechslungsreichen Strecke durch Hintersee.
Das internationale Schlittenhunderennen mit Teilnehmern aus ganz Europa wird in unterschiedlichen Klassen gestartet: Dabei sind Gespanne mit zwei bis zwölf Hunden, wie jenes das gerade mit im Pfotenwirbel staubenden Schnee aus dem Sichtfeld verschwindet. Aber auch Skijöring-Teams – also Langläufer, die mit einer Zugleine mit ein oder zwei Hunden verbunden sind oder Canicrosser, Läufer mit Hund. Und Nachwuchssorgen braucht sich dieser Sport nicht zu machen, wie das im Anschluss stattfindende Kids-Race zeigt. Der jüngste Teilnehmer ist fast gleich hoch, wie sein Lauf-Buddy auf vier Pfoten und souverän lässt er sich, begleitet von Papa, einem Profi-Skijörer, über die kleine Laufrunde im Zielbereich ziehen.
Nach dem Rennen herrscht entspannte Stimmung im Stake-Out mitten in Hintersee. Während sich die einen im Zielgelände von den lokalen Vereinen mit heißen Pofesen, Würstel, Bier und Limo verwöhnen lassen, zieht es die Hundenarren natürlich zurück ins Stake-Out zum Backstage-Luft-Schnuppern. Die Hunde sind nach dem Rennen tiefenentspannt, lassen sich auf Liegen die Sonne auf den dichten Pelz scheinen und freuen sich über Streicheleinheiten der kleinen und großen Bewunderer. Die Besitzer stehen gern für Fragen zur Verfügung und erzählen aus dem Musher-Leben: „Schlittenhunde-Sport ist aufwendig und wir widmen unsere ganze Freizeit den Hunden. Sie sind Teil unserer Familie und gemeinsam trainieren wir, freuen uns über Siege oder lernen bei verpatzten Läufen. Wir Musher sind alle eine große Familie und treffen uns auf allen Rennen. Hintersee hat eine glanzvolle Premiere als internationales Schlittenhunde-Rennen hingelegt.“
Stille ist eingekehrt in Hintersee, dem kleinsten Ort im Alpenvorland mit einer wahren Winterwunderwelt rund um den idyllischen See. Langsam senkt sich die Dunkelheit über den Ort und die Hunde werden zurück in ihre gemütlichen Boxen gebracht. Doch schon im nächsten Jahr werden Musher und Hunde wieder zurückkommen und über die kleine Gemeinde in der Fuschlsee-Region eine Klangwolke mit dem Geheul der Athleten auf vier Pfoten legen.
Redakteurin: Edith Danzer
Edith Danzer ist am liebsten draußen! Die freie Redakteurin, Texterin und Fotografin aus dem SalzburgerLand liebt den Schnee und die Kälte - kein Wunder, dass es ihr die Schlittenhunde angetan haben. Und zumeist ist sie in Begleitung ihrer Huskydame Ylvi. Unter www.edithorials.com kann man aber nicht nur ihre eiskalten Abenteuer, sondern auch ganz nahe Urlaubsinspirationen aus dem SalzburgerLand finden.